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Weisheit des Buchsbaums

Weisheit des Buchsbaums

Wir haben vor Jahren einen alten Hof gekauft. Es war eine jahrelange Sanierung bis auf die Außenmauern. In all dem Tun hing mein Herz an den alten Pflanzen, die dem Hof erst ihren Charme gaben. Vor dem Küchenfenster war über die Jahre Buchsbaum ausgefallen und zu Beginn sah man das Fenster gar nicht. Im Bauprozess wollten immer wieder handlungswütige Bauarbeiter diesen einen großen Buchsbaum neben der Haustür wegmachen, den ich so mag. Letztendlich konnte ich ihn retten und wie´s immer so ist – im Nachhinein sind alle der Meinung, dass es gut war…

Wir wohnen gut 5 Jahre hier. In den letzten Jahren hat uns der Buchsbaumzünsler weitgehend verschont, obwohl er ringsrum viel platt gemacht hatte. Ich wiegte mich in Sicherheit. Letztes Jahr kam er dann auch bei uns an. Erst nur versteckte Stellen. Sträucher, die in der 2. Reihe stehen. Mein Mann hat vieles raus gemacht, was bereits letztes Jahr unwiederbringlich verspeist wurde, und fragte, ob er den am Haus nun auch wegmachen solle. War ja gestern Hexenfeuer. Aber von meiner Küche aus hatte ich beobachtet, wie die Vögel sich doch immer am Zünsler gütlich taten und so entschied ich, dass er dieses Jahr noch als Vogelfutterspender stehen bleiben solle. Tag für Tag seh ich ihn, sehe den Zünsler sich abseilen, sehe das Konfetti am Boden, die Gespinnste in den Zweigen… Ein Trauerspiel!

Tja, lange Rede, kurzer Sinn: Mein geretteter Buchsbaum ist nicht mehr zu retten. Die viele Interaktion, das viele Herzblut, alles gut zureden, konnten ihn diesmal nicht bewahren. Ich wachte nachts auf und hatte Gewissensbisse, ob meine Entscheidung, ihn stehen zu lassen, richtig war oder einfach sentimental. So verbreitet sich das unliebsame Insekt ja nur noch weiter…

Und in all meinem Hadern geschah es plötzlich: Ich konnte das größere Bild erkennen. Den Kreis des Lebens. Nicht nur das Werden und Vergehen des Individuums, sondern die gleichzeitige Existenz aller Facetten des Zyklus. Der Buchsbaum ist bezogen auf sein Leben in der Halloween-Phase. Gruselig absterbend und dabei nicht schön anzusehen. Ich selbst wollte, dass er ewig in der Beltane-Phase bleibt, strotzend vor Lebenslust, sich kräftig darstellend, ein Blickfang vorm Haus, eine grüne Hoffnung auch im Winter. Wie vermessen von mir! Ich wollte dem Kreislauf des Lebens, dem stetigen Wandel entgegen stehen! Irgendwie größenwahnsinnig, oder? Es war der Versuch eines inneren Kindes, das Liebgewonnene zu erhalten, statt sich dem Leben hinzugeben und ehrfürchtig zu betrachten.

Gleichzeitig breitet sich in meinem Garten eine Wildkirsche aus. Überall steckt sie neue Triebe aus der Erde, manche fallen erst so nebenbei auf, wenn sie schon bald 3 Meter hoch sind. Die will bei mir sein. Der geht’s gut bei mir. Und ich? Ich ärger mich!!! Was für ein Schwachsinn! Da zeigt sich vor meinen Augen der Beweis, dass die Natur kein Vakuum zulässt, und ich seh´s nicht! – Na gut. Ich seh´s schon, schließlich schreib ich grade drüber… Aber ist es nicht faszinierend, wie wir so ticken, wenn wir nicht hinschauen?

Ich habe nun meinen Garten nochmal neu betrachtet. Überall ist es statt grün. So vieles wächst ganz ohne mein aufwendiges Bemühen. Früher hörte ich schon mal vom Gärtnern durch Subtraktion. 😉 Wenn ich immer nur das wegmache, was zu viel ist, und ansonsten der Natur die Oberhand lasse, kommt das sicher gut. Das verspricht eine durchsetzungsfähige und energiesparende Strategie zu sein, in Zeiten des sich ändernden Klimas. Es sind immer die Pflanzen da, die mit den Gegebenheiten klarkommen und man kann sich allzeit beschenken lassen – vom Garten wie vom Leben – und schöpft aus dem Vollen. Dankbar für alles, was ist. Fülle! 🙂

Fehlt Dir manchmal der Blick aus der nächsthöheren Ebene? Dann fühl Dich frei, Dir meine Unterstützung zu sichern. 😉

Alles Liebe
Yvonne